Narzissmus in meiner Branche

Marschner_Klosprueche
Dieser Toilettenspruch, gefunden im Bauhaus, ist narzisstisch, begegnete mir einen Tag vor dem "Happy Frauentag" in einem Gerichtssaal. Dieser Satz meint: "Wenn ich Geld habe, sehe ich die Sache, die ich auch ohne Geld nicht sehe, wahrscheinlich anders." Einem Schreiber geht es ums Geld. Ein Konzern verfügt, dass ich etwas unterlassen soll, ohne genau zu beschreiben, was ich unterlassen soll. Basis eines Verfahrens ist ausschließlich eine Mail, die ich einem langjährigen Geschäftsfreund schrieb. Ich setzte eine für die Branche übliche Kontrollinstanz in Kopie. Post an einen Geschäftsfreund zeichnet sich dadurch aus, dass man auf für Dritte völlig unbekannte Informationen eingeht. Man muss also auf einen vorangegangenen beiderseitigen Austausch nicht näher eingehen. Das ist das Schöne an Geschäftsfreunden. In meiner Branche bekommt man Unterlassungsklagen, wenn man Visitenkarten in Krankenhäusern verteilt, weil Chefärzte korrekt sagen: "Diesen Rummel dulde ich in meinem Haus nicht." Zudem gibt es intakte Gesetze. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb kennt keine zwei Maßstäbe. Das wäre mir neu. Ich betrete ein Gericht. Mein persönliches Erscheinen wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes verfügt. Wer 1000,—€ bezahlen muss, der muss 2.000,—€ verdienen. Warum sollte ich nicht erscheinen? Mein Anwalt hat schließlich den Antrag gestellt! Am Eingang steht nicht ein Wachmann. Kein Mensch kontrolliert meinen Ausweis - oder meinen Tascheninhalt. Ich treffe auf smarte und dezente Rechtsanwälte. Die Anwältin der Gegenseite ist unbekannt. Drei Richter und ein Referendar betreten den Raum. Eine Richterin zeigt klar ihre Herablassung. Ihre dicken Ringe signalisieren, dass sie im Grunde ein Superstar ist, der diese Arbeit nicht nötig hat. Später wird sie meinen Eindruck bestätigen: "Ich habe auch noch etwas Besseres zu tun." Die smart sachliche Rechtsanwältin der Gegenseite könnte meine beste Freundin sein. Sie muss keine Vollmacht vorlegen. Ihr Ausweis wurde ebenfalls nicht kontrolliert. Ich selbst wurde vom Pförtner als Anwältin meines Falles identifiziert. Meine Ladung zum Termin wies meinen Namen allerdings klar aus: Claudia Marschner. Eine E Mail an einen Geschäftsfreund, die äußerst Kritisches aufwirft, die die zuständige Kontrollinstanz aktivieren soll, wird vom Gericht mit 2.000,—€ bestraft. In einem weiteren beweislosen Ordnungsmittelantrag fordert die Gegenseite 2.000,—€. Die Richterin übernimmt den Text der Gegenseite, sieht sich als Dritte ihrer Verfügung und setzt das Ordnungsmittel auf 5.000,—€. Ein Ordnungsmittel bewegt sich normalerweise zwischen 50,—€ und maximal 600,—€. Zu Beginn der Verhandlung schickt mich die Richterin aus dem Raum. Nach einigen Minuten holt mich mein sonst besonnener Anwalt empört in den Raum zurück. Die Richterin zweifelte meine volle Geschäftsfähigkeit an, weil ich dem Landgericht im Laufe eines Jahres Briefe sandte: "Haben Sie den Blog Ihrer Mandantin gelesen? Haben Sie das mal gelesen?" Den Befangenheitsantrag meines Anwaltes bügelt die Richterin in meinem Beisein runter. Sie insistiert: "Beraten Sie sich doch draußen mit Ihrer Mandantin. Wissen Sie, was das alles kostet?" Die Richterin höchstselbst hat mir maßlose Kosten beschert. Die Scherben muss mein Anwalt aufheben. Er bittet um klare Angaben, welche Sätze meiner Mail die Gegenseite verunglimpfen. Die Richterin nimmt - nach erfolgten Beschlüssen - einen Marker und kennzeichnet für die Gegenseite nur noch Satzfragmente, die einen Wert von 100,—€ nicht übersteigen. Sie selbst betont und verhindert gleichermaßen, dass Ermittlungsbehörden eingeschaltet werden können. Befürchte ich die Gegenseite? Nein. Ich hoffe auf einen Richter am Kammergericht, der nicht den Ruf unberechenbar bestätigt, der, falls er Biker sein sollte, seine dicken Ringe Zuhause lässt. Mein Anwalt baut ebenfalls auf ein intaktes Kammergericht. Die Richterin wünscht uns "viel Spaß." Viel Spaß ist ein Party-Terminus. Ich hatte keine Lust auf den folgenden Frauentag. Mir wäre ganz sicher der Fehler unterlaufen, alle Frauen in ein negatives Licht zu rücken. Wenn Richter Frau Alice Weidel bescheinigen, dass die öffentliche Verunglimpfung "Nazischlampe" zum normalen Umgangston gehört, dann sorgen sie für falsche Präzedenzfälle. Und wer hat Menschen wann für nicht voll geschäftsfähig erklärt?