Die Würde

Deutschland feierte das Grundgesetz, das 75 Jahre alt wurde. Artikel 1 hat natürlich einen Haken, denn die Würde der Menschen ist antastbar - sogar betatschbar. Die Sache mit der Würde war nach Kriegen nie oktroyierbar. Die wunderbare Lotti Huber sagte einst so schön scharfzüngig: "Die Würde wohnt hier nicht." Im Kontext, also aus ihrer Wäsche schauend, hatte sie recht; und die Moderatoren in den unzähligen Talkshows kapierten nicht, dass Lotti Huber ein absolut würdevoller Mensch war. Nichts an dieser Frau war je würdelos. Nun ist offenkundig nach den Kriegen bloß immer vor den Kriegen, weil die Würde in Deutschland nie kultiviert wurde. Das heutige Szenario lädt zur Würdelosigkeit ein. Ein Russe ist in diesen Tagen weniger Wert als ein Ukrainer. Am effektivsten erklärt man alle Russen zu Agenten von Putin. Das kann sich schon morgen wieder ändern. Die bloße Nachricht über Geheimgefängnisse in Israel kann schon morgen von Rechten aufbereitet werden; und dann darf man wieder an Scheiben schreiben: "Kauft nicht bei Juden." Die Würde eines Menschen ist also zu kultivieren. Um meine Würde zu erhalten beobachte ich zwangsläufig die würdelosen Menschen, die mich beleidigen. Eine homophobe Frau sagt heute vor Gericht natürlich nicht die Wahrheit. Sie sagt der Richterin: "Ich bin selber homosexuell - ich würde niemals einen Menschen homophob beleidigen." Sie setzt ihrer Anwältin, der Richterin und ihren Männern die Hörner auf. Das hat weder Stil noch Würde. Die würdelosesten Frauen bilden sich ein, dass Männerhass zwangsläufig in die Homosexualität führen müsste. Das ist historisch dumm und würdelos, weil man Liebe nicht über Hass definieren kann. Kein Mensch liebt Gemüse, weil er Milchreis hasst. Wenn wir also die Ukrainer nur deshalb lieben, weil wir Russen hassen, dann sind wir historisch dumm und führen ein würdeloses Leben, das sich durch Kriege erhalten muss. Ein Leben, dass sich nur über Krieg erhalten kann, ist ein würdeloses Leben. Die Würde des Menschen ist also antastbar. Nehmen wir ein Beispiel aus der kleinsten staatlichen Zelle. Eine historisch dumme Nachbarin, die ihr würdeloses Leben bereits bereut, hasst sich selbst. Sie sagt in ihrem Hass: "Frau XY hat einen Garten, die braucht ihre Terrasse nicht. Ich beginne jetzt einen Krieg." Die historisch dumme Nachbarin rennt durchs Haus und startet eine Kampagne. Bevor ihr Führer kommt, kann sie natürlich noch nicht die Schaufensterscheiben beschmieren. Der Angriff auf die Religionsfreiheit, auf die sexuelle Freiheit muss subtiler kommen. "Frau XY ist böse!" Böse ist ein gutes kindlich naives Stilmittel für jene, die ihrem Führer später Bericht erstatten werden. Böse gefällt jedem Führer, der eine Rasse reinigen möchte. Frau XY ist eine Raucherin. Das ist ein aufblasbarer Ballon, der die Homophobie schön kaschiert. Die historisch dumme Nachbarin zeigt Frau XY obendrauf an und bezichtigt sie der Nachstellung. Der Führer freut sich schon heute auf historisch dumme Frauen, die ihm ihr würdeloses Leben übertragen werden. Kinder lernen dort also, wie sich ein würdeloses Leben artikuliert. Die Würde kann man nicht gedankenlos ins Grundgesetz schreiben. Die Würde ist nicht käuflich, nicht korrupt. Die Würde verfilzt die eigene Politik nicht. Die Würde lügt und betrügt nicht. Die Würde ist weder überbordend gebildet noch lächerlich dumm. Die Würde kennt keinen Alterungsprozess. Die Würde benötigt nicht unbedingt eine Wohnung. Sie ist in Trümmern von unschätzbarem Wert. Die Würde braucht nicht zwingend ein Bankkonto. Sie zeigt sich ganz in der tiefsten Armut. Die Würde ist kein Trampel, das um Aufmerksamkeit bettelt. Die Würde ist ein Elixier, das jeder Mensch selbst herstellen kann. Herr Lauterbach "betrauert" 10.000 Suizidopfer pro Jahr. Sie alle haben irgendwo ihre Würde verloren. Sie alle fanden keine Rezeptur mehr für ein würdevolles Leben. Er möchte Gelder geben, die nicht vorhanden sind. Die Würde des Menschen ist antastbar!