Der Vorhang fällt

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Kein Mensch möchte eine wirkliche Unterhaltung über den Tod führen. Es gibt Ansätze in der Ich-Form, die ziemlich schnell in die Rubrik Entertainment rutschen. Ich will keine Feier. Ich will in alle Winde verstreut werden. Ich will mich der Medizin zur Verfügung stellen. Klar ist, dass kein Mensch sagen wollte: Ich würde mein Kind, sollte es viel zu früh versterben, der Medizin zur Verfügung stellen. Ich selbst verstehe das vollkommen, weil es ein Thema ist, dass äußerst intim ist, denn Gefühle spielen eine Rolle. Der Vorhang fällt zuverlässig. Die Wahrheiten kommen quasi wie ein Squeeze ans Tageslicht. Mit dem Tod eines Menschen verschwindet eine Art Puffer in einer Gesellschaft. Plötzlich sieht man andere Menschen ohne einen Filter. Das kann ein ungemeiner Gewinn sein. Das kann aber auch schauderhafte Perspektiven bieten. Ein Gewinn wird der fallende Vorhang erst dann, wenn man aus der Not eine Tugend macht, was man in dieser Zeit lernen muss. Ich nehme einen Fall aus dem Leben und komme auf jene Menschen zurück, die sagen: Wir sind eine Affen-Community. Wir lieben die Aktie Game Stop. Wir wollen unbedingt zusammen kämpfen, weil viele Hedgefonds keinen fairen Handel mehr treiben. Die Medien berichten: "David gegen Goliath". Sie schreiben über Kleinanleger, über den Wandel an der Börse, über Aufwiegler, die die Börse auf den Kopf stellen. Man nennt sie Spieler. Journalisten werden zum Puffer, zum Filter einer Geschichte, die noch keine ist. Man blickt zu ihnen auf und denkt: Mensch. Journalisten sind so klug. Sie haben studiert. Die Fachjournalisten sind quasi Finanzgenies. Leser beziehen immer die Position der Unaufgeklärten. Sie glauben an das System der Wahrheit, die erst durch Journalisten zu ihnen gelangen kann. Das war immer so. Nun stöbere ich selbst auf den Börsenportalen und ich schrieb bereits, dass die Kleinanleger, die Spieler, die Davids ein Voting bewirkten. Wählen durften jene Anleger, die vor dem 15.4.21 eine Aktie von Game Stop gekauft hatten. Die Affen, wie sich die Anleger selbst nennen, feiern ihren Erfolg. Tausend Daumen und tausend Klicks fliegen durch einen virtuellen Raum. Ein Zusammenhalt festigt sich. Eine Zugehörigkeit verschweißt sich. Eine Portion Übermut kommt natürlich hinzu. Sofort wird berechnet, wie und wann der Kurs nach oben schießen müsste. Ein Squeeze soll die Affenbande zum Mond bringen. Die Erde scheint keine Option mehr zu sein. Und dann kommen die ersten Meldungen über den Börsenticker. Die Anzahl der Anleger wird verkündet. Ein Filter wird entzogen. Ein Puffer verschwindet. Auf Platz 1 der Anleger steht die Firma BlackRock. Der Vorhang müsste fallen. Er fällt aber nicht. Warum fällt er nicht? BlackRock ist in Deutschland durch Herrn Merz von der CDU bekannter geworden. Der größte Vermögensverwalter der Welt hält die Aktie von Game Stop? Das irritiert mich, weil viele Börsenkenner die Anleger von GameStop als Teenager identifizieren, als Anfänger auf dem Parkett. Beschäftigt BlackRock Anfänger und Teenager? Das kann nicht sein. Der Herr Merz, der im Vorstand war, ist kein Teenager und er will es auch nicht sein. Nun gibt es quasi einen zweiten Trauerfall. Der Journalismus stirbt an dieser Stelle ab; und ich finde keine Informationen, denn schließlich bin ich in der Position der Unaufgeklärten. Dieser Vorhang fällt quasi und niemand kommt zur "Trauerfeier". Haben Journalisten eine Angst vor der schlichten Wahrheit entwickelt? Dann blieben die Unaufgeklärten stets unaufgeklärt. Man könnte die Welt nicht mehr schöner machen. Schließlich schrieben Medien, dass Anleger Gutgläubige in die Aktie ziehen, nur um selbst nach oben zu kommen. Meinten sie auch BlackRock und Vanguard? Das kann nicht sein, denn schließlich war BlackRock so freundlich und hat den Kanzlerkandidaten (frei)gestellt. Der Ticker sieht nicht gefälscht aus. Nach dem Fall eines Vorhanges kommen Fragen über Fragen. Bei einem Todesfall kommen die Antworten, wenn der/die Fragende bereit dafür ist. Wie es im Journalismus läuft weiß ich nicht. Ich bin schließlich nur eine Bestatterin.