Tödliche Zivilgesellschaft

Das Coronavirus spült die gesamte Geschichte um AIDS an die Oberfläche. Es macht aus der Zivilgesellschaft wieder eine tödliche Waffe, die auf Menschen zielt. Eventuell soll ein System destabilisiert werden. AIDS ist das Endstadium einer HIV-Infektion. Bis zum heutigen Tag sind 39 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS gestorben. In den 1980er Jahren infizierten sich Menschen. Homosexuelle Männer gehörten zu den Betroffenen. Sie sagten nicht: "Oh. Wir sind HIV-positiv. Da müssen wir mal eben nach einer Medizin forschen." Sie sahen sich selbst und anderen beim Sterben zu. Sie verloren Gewicht. Ihr Immunsystem kollabierte. Auf ihrer Haut wuchsen braun-bläuliche Tumorknoten. Das Kaposi Sarkom ist eine Krebserkrankung, die durch das Humane Herpesvirus (HHV-8) ausgelöst wird. Männer überschminkten ihre Haut. Models wurden nicht mehr gebucht. Piloten verließen ihr Flugzeug, wenn ein infizierter Passagier an Bord war. In Amerika wurde der Fall eines jungen Mannes bekannt, der zunächst nicht im Krankenhaus untersucht wurde. Er starb und auch hier weigerten sich Ärzte, eine Untersuchung durchzuführen. Ein Pfleger spielte für den überlebenden Freund den Retter. Er stülpte schwarze Tüten über den Leichnam und dann schob er den Verstorbenen in den Müllhof. Kein Bestatter wollte den Sterbefall übernehmen. Der Freund musste einen x-beliebigen Quacksalber nehmen. Eine Gruppe von Aktivisten richtete eine Hotline ein. Sie sammelte in der Gay Scene Geld, um helfen zu können. Als sie Räume für ein Informationszentrum fand, demonstrierten redliche Bürger auf der Straße: "Sperrt die AIDS-Schwulen weg." Es gab in den Anfängen Kontroversen in der Gay-Scene über einen wirksamen Schutz. Man vermutete, dass ein Kondom die Übertragung verhindern müsste. Einige Aktivisten dachten, dass man Männer dazu anregen sollte, den sexuellen Kontakt zunächst zu meiden. Schnell war klar, dass man die lange erkämpfte Freiheit selbst vernichten würde, den geheimen Untergrund predigen würde, die eigenen Freunde kriminalisieren würde. Infizierte bekamen keine öffentliche Hilfe in Amerika. Niemand war out. Schon erst recht kein Politiker. Weder ein Bürgermeister noch ein Assistent. Eine Hilfsorganisation bekam eine Einladung ins Weiße Haus. Es gab keine Hilfsmittel oder Fördermittel. Es gab Fragen darüber, ob der Besuch bei Prostituierten gefährlich sein könnte. In Frankreich hatte die Forschung an dem Virus begonnen. In Amerika hatten Homosexuelle große Angst. Ein anonymes Schreiben wurde öffentlich. Darin stand, dass das Militär 1978 in Fort Detrick ein Virus erschaffen hatte, welches das Immunsystem schwächte. Seit 1969 beschäftigte man sich dort mit gefährlichen Erregern zu Verteidigungszwecken. Homosexuelle Menschen gerieten in Panik. Sie dachten, man könnte ihnen nun nachstellen und sie in Lager, in Quarantäne bringen. Sie fürchteten, dass sie ihre Krankenversicherung verlieren könnten. 1983 wurde diese Nachricht entlarvt. Der russische Geheimdienst wollte die Reagan-Regierung mit dieser Nachricht schwächen. Auch in der DDR gab es Unterlagen über die Forschung in Fort Detrick. Die TAZ schrieb darüber und mir wurde noch schlechter - weil damit mehr als klar war, dass Menschen mit HIV nur ein Spielball für Regierungen waren, die sich destabilisieren wollten. Es erscheint mehr als kurios, dass Medien heute keine Erinnerung daran haben wollen. Das Coronavirus weckt keine bösen Erinnerungen? Es regt nicht zur Recherche an? Eintönig erscheint mir die erneute journalistische Spekulation: Eventuell haben Tiere das Virus übertragen. Niemand schreibt, dass Viren einem Labor entspringen können - auch durch schnöde Unachtsamkeit. Niemand fragt: "Hat das chinesische Militär eine Forschungseinrichtung, die mit gefährlichen Erregern arbeitet?" Sind Journalisten so derart naiv? Man möchte es nicht glauben.