Trauer, Macht und Magie

In den 1970er Jahren wurde die Trauer durch die Kirche gefärbt. Christen hatten die Rezepturen für eine "richtige" Bestattung und eine "korrekte" Trauer. In den 1990er Jahren wurde die Trauer durch die Kunst und durch einen ungemein großen Spiritualienmarkt gefärbt. Künstler und Kreative hatten die Rezepturen für individuelle Bestattungen. Heute wird die Trauer durch den Kapitalismus gefärbt. Der Kapitalismus hat die Rezepturen für das ultimative Trauermanagement. Die Zeremonien auf Friedhöfen sind strikt getaktet. 10 Minuten länger gedenken und zelebrieren wird strengstens als doppelte Zeit berechnet. Dekorierende Blumen im städtischen Krematorium werden pro Stunde berechnet. Die Stadtverwaltung, die Kirchenvertreter schämen sich nicht. Ich bleibe gerne und immer wachsam, weil extrem schlechte Verhaltensweisen abfärben. Allzu schnell sind alltägliche Unverschämtheiten NORMAL. Der Berliner Bezirk Reinickendorf ist der so ziemlich einzige Bezirk, der schöne und üppige Blumenbeete vor dem Rathaus anlegt. Deshalb sind die Sterbeurkunden dort nicht teurer. Sofort fallen die schönen Blumen ins Auge. Sofort fällt auf, dass niemand die Beete zerstört, dass niemand benutzte Becher, Taschentücher oder Plastiktüten entsorgt. Das Prinzip Ihr zahlt Steuern und wir pflanzen Blumen ist übrigens nicht kapitalistisch. Sind die Kreativen etwa von Kreuzberg nach Reinickendorf gezogen? Die hiesige Stadtverwaltung Berlins bildet übrigens schon lange keine sichtbare und hörbare Einheit mehr. Das glaubt wahrscheinlich nur der Bürgermeister, der sich für nichts zuständig fühlte. Auf dem Friedhof Marzahn zum Beispiel halten die Gärtner inne, wenn ein Trauerzug naht. Sie stellen für die Zeit von 1 Minute die Arbeit ein. Andere Bezirke rechnen diese Minuten bereits hoch. Sie kultivieren kapitalistisch den Personalmangel, also alle Streichungen:"Na, wenn ich hier bei jedem Trauerzug innehalte, dann komme ich nicht mehr zur Arbeit." So wird heute auch in Teilen des öffentlichen Dienstes die Kondolenz hochgerechnet: "Na, wenn ich hier jeden speziell grüße und jedem meine Kondolenz ausspreche, dann komme ich nicht mehr zur Arbeit." Frau Saskia Esken (SPD) schwadroniert männlich kapitalistisch über eine soziale Kälte, die sie selbst befördert. Dafür braucht es keine Frauen im Parlament. Wenn dieses unkultiviert unästhetische Verhalten der Politikerinnen und der Kirchenvertreterinnen in Gänze abfärbt, dann bricht nicht nur die gesamte Berliner Verwaltung auseinander. Internetfirmen im Bereich Bestattungen sind kapitalistisch durch und durch. Kein Beileid. Keine human wirkende Stimme. Warum sammeln, raffen und rotten Plattformen Daten? Sind die Betreiber schlicht indiskrete Messis? Nicht ein Betreiber einer Trauerplattform sandte je an Jahrestagen gute Wünsche. Die Magie fehlt. Der Zauber fehlt. Der Charme fehlt. Ästhetische Worte fehlen. Kürzlich fand ein menschlich ausgewachsenes Wesen, das sich selbst nicht vorstellen konnte, mein Geschäft gruselig. So reden 4-jährige Kinder, die ihre Angst noch nicht beschreiben können. Andere wiederum laufen über ihre Balkone einfach aus, quäken unangeboten meinen Vornamen und popeln an meinem Geschäftsetikett herum. Trauernde sollten sich im Geiste einen Garten anlegen und gestalten, der einen schönen Zaun hat. Sie werden schnell merken, wer seinen Müll dort entsorgen möchte, wer einen Parkplatz daraus machen möchte, wer ein Hundeklo daraus möchte. Sie werden schnell merken, wer dreist eindringt und den Garten beherrschen will. Vielleicht sollten Architekten Modell-Gärten und Modell-Häuser für Trauernde entwickeln, so, wie es diese tollen japanischen ZEN-Sandkästchen zum Harken gibt. Wie gestalten traurige Menschen ein Haus? Wie legen sie einen Garten an? Wie düngen sie einen Garten? Welche Eigenschaften muss der Gartenbesucher haben, um Fragen stellen zu dürfen?