Die neue Generation

Ich erkenne wohl, was meine Generation noch nicht ganz erkannt hat. Ein wunderbarer Pool aus Arbeitern, Handwerkern und Unternehmern muss politisch agieren. Wir haben es offenkundig versäumt - die Geschichte unserer Eltern zu erzählen, die teilweise im Zweiten Weltkrieg geboren wurden; die zeitlich also in die weltweite 68er-Bewegung gehören. Unsere Elterngeneration erinnert sich - völlig klar - an die eigene Vergangenheit. Dieses Massiv tragen sie bis heute ab - für eine bessere Zukunft. Sie haben Vergangenheit aufgedeckt, aufgebrochen, komplett zerstört und in großen Teilen abgetragen. Sie schrieben neue Manifeste. Sie entfesselten ihre Power, ihre Ideen. Sie transportierten andere Kulturen in nahezu jeden Haushalt des Landes. Die Generation unserer Eltern erschien mir wie ein Staat im Staat. Sie verschlang Bücher und sie stapelte Bücher bis unter die Decke. Sie studierte und sie übersetzte fremde Bücher, also fremde Sprachen. Unsere Eltern sind Nomaden, die Europa und die Welt bereisten. Diese Generation war die schönste "Influenza", die das Land erleben durfte. Sie transportierte Musik aus fernen Ländern, Düfte, Kerzen und Räucherwerke, Heilkünste aus Asien, Yoga. Einige nennen es noch heute Dudelmusik, Gestank und Hokuspokus. Sie benannten und besprachen die Seele der Menschen, klein und groß, Frau und Mann - also die Psyche. Sie entwickelten Therapien. Sie besprachen gesellschaftliche Rollenmuster. In US-Talkshows predigen Amerikaner noch heute das Bild vom deutschen Otto, der Sauerkraut stampft. Erst gestern war ich selbst in einem türkischen Restaurant, das für Fischspezialitäten berühmt ist. US-Medienmacher lachen über Franz und Hans. Sie lachen natürlich auch über den französischen Akzent, den sie gerne äffen. Sophia Vergara, die Komödiantin, wird im Grunde öffentlich ausgelacht. Ihr stolzer Akzent aus Kolumbien wird gerne geäfft. Ellen DeGeneres gibt ihr gerne schwere Worte, die sie nachsprechen soll. Zuschauer lachen dann über die falsche Aussprache. Deutsche Zuschauer sind heute zu intelligent dafür; und trotzdem werden diese TV-Formate transportiert. Wer transportiert sie ins Land? Meine Generation. Wir haben uns in eine von vielen Konserven stopfen lassen. Meine Generation ließ sich jedes schöne Mantra wegnehmen. Selbst schuld. Die propagierten Slogan lauteten: Time is money. No pain no gain. Fake it till you make it. Fastfood ersetzte die Köstlichkeiten der Welt. Kaum ein Mensch soll wissen, dass Köche in Japan lange und gut ausgebildet werden, bis sie einen Kugelfisch bearbeiten und servieren dürfen. Die Superstars aus der ehemaligen DDR konnte man in den USA natürlich nicht als Hans und Otto verlachen. Frau Witt spülte viel Geld in die US-Kassen, ebenso Nina Hagen, Armin Müller-Stahl, Rammstein und Tokio Hotel. We love Jil Sander, Wolfgang Joop, Karl Lagerfeld and Peter Lindbergh. We love Mercedes Benz and BM double-u. We have to have it. Otto und Hans steht in den US-Medien für den Daumen, der die Welt in Konserven presst. Love & Peace ist nur ein Label, das auf die Konserven geklebt wird. Antiamerikanismus. Dieses Wort ist nur ein Daumen, der mich in eine Konserve pressen möchte. In einer Konserve kann ich natürlich nichts sehen. Und wenn ich nichts sehen kann, dann kann ich die Realität nicht betrachten. Wenn ich die Realität nicht betrachten kann, dann kann ich keine Politik machen.