Homophobie

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich in 30 Berufsjahren nie von Geschäftspartnern, dazu gehören Kripo-Direktionen, Standesämter, Krankenhäuser, Fremddienstleister, Kirchen, städtische und religiöse Friedhöfe, natürlich auch Hinterbliebene, herabgewürdigt wurde. Weder als Jungunternehmerin, in der Hochphase um AIDS, noch als erwachsene Unternehmerin. In meiner Kindheit erlebte ich Homophobie als alltäglich. Die Lehrer in unserem Haus nannte man warme Brüder. Nicht wenige verkündeten: "Sowas (sächlich) hätte man früher vergast." Über meine Mutter wurde gerne getuschelt. Sie war nicht nur eine geschiedene Frau mit zwei Kindern. Zu ihren Partys kamen auch Frauen, die man damals Mannsweiber nannte. Und es kamen auch jene Männer, die man warme Brüder nannte. Wir Kinder lernten die Freunde unserer Mutter kennen - die Namen hatten. Homophobie kommt heute versteckt daher, meist über den Terminus Toleranz. "X hat gesagt, dass Claudia Marschner mit Frauen zusammen ist." Unsichtbar Namenlose im Plural. "Du könntest Dich auch irren. Sie könnte auch einen Mann haben." Das erinnert mich an die geschiedene Mutter mit zwei Kindern. Homophobie trifft auch heute noch Frauen, die ein schlichtes oder wildes Singleleben leben möchten. "Wenn sie Frauen mag, kann sie das doch heute ganz offen leben." Eine junge Singlefrau hat heute ein eigenartiges Verfallsdatum. Danach wirkt scheinbar ein Fluch, der sie zwangsläufig in eine homosexuelle Frau verzaubert. Sie wird eine Singlefrau ohne Mann und ohne Frau. Homophobie ist heute extrem verquirlt. Ich nenne ein Beispiel. In einer Klageschrift wird mir, als Unternehmerin, vorgeworfen, dass ich auf meiner Geschäftsterrasse Räucherwerke abbrenne, dass ich Kneipenraucher der 70er Jahre reloade und bediene. Nun habe ich beim Ordnungsamt den Chef vom Dienst gefragt, ein ungemein eloquent geistreicher Mann. Er erklärte und dokumentierte, dass das Nichtrauchergesetz Menschen ausschließlich in Innenräumen (Gastro, öffentliche Gebäude, Flughäfen usw.) schützt, dass Gerüche nur subjektive Tatbestände sind, also keine Tatbestände sind. Der eine mag Moschus, der andere mag kein Moschus. Tabakgeruch qualifiziert sich auch nicht als schädliche Umweltbelästigung im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Das Rauchen auf meiner Gewerbeterrasse ist per Gesetz erlaubt! Punkt. Das ist zunächst eine fachlich kompetente Auskunft. Die Meinung zu diesem Gesetz ist zunächst völlig irrelevant. Zunächst habe ich die Klageschrift gelesen, wie es eine Unternehmerin tut. Ich fand sie sprunghaft, unsortiert und mit allen Mitteln völlig überzogen. Erst heute las ich die Klageschrift als private Frau, also als Claudia Marschner. Hier merkte ich den offenkundigen Hass auf unabhängige, erfolgreiche, glückliche Frauen, auch den Hass auf erfolgreiche homosexuelle Frauen. Der klassische Rufmord über "Zeugen", die typischen Diffamierungen, die klassische Verleumdung, die typische Opferhaltung. Die typisch aberwitzige Fixiertheit auf eine Person, eine Personengruppe. Moschus, ausgerechnet aus dem Haus Saint Laurent, wird in der Schrift als Gestank bezeichnet. In den 1970er Jahren unterstellte man türkischen Familien permanent, dass sie stanken, dass sie unsauber waren, dass sie schikanierten und attackierten, dass sie anständige Bürger mit ihrer Dudelmusik und mit ihrem Kümmelgestank provozierten. Der Rassismus hat sich verlagert. Ebenso hat sich die Homophobie verlagert. Frau Marschner darf Blumen pflanzen. Sie darf auch Musik hören. Ich bin unterwältigt, dass mir ein Gebieter mein Lebenswerk zertreten möchte, um mir dann die Blumen und die Musik zu lassen. Ich muss so unfassbar dankbar sein. Diese Toleranz im Jahr 2022 ist entzückend. Ich muss meine Hauptterrasse viel politischer nutzen. Als man AIDS, faktisch und bewusst falsch, zur Schwulenseuche umfabulierte, lagen die heutigen privaten Medien in den Babyschuhen. Ein erneutes Stigma wäre heute mit drastischen Forderungen und drakonischen Maßnahmen verkoppelt.