Entfaltung

Act out. Eine Initiative >>Wie wir lieben wollen<<. 185 Schauspieler fordern mehr Anerkennung. Sie wollen eine Debatte anstoßen. Schauspieler wollen im Grunde die Filmindustrie verändern. Sie soll diverser werden; und so sehen wir dann andere Lebensbilder. Die erste Frage, die mir einfällt: Hat Jodie Foster - die amerikanische Ikone - je einen Lesbenfilm produziert? Wenn nein. Was hielt sie davon ab? Ein Getto, in dem sie stigmatisiert wird? Ist das Drehbuch zu dem Film >The Kids are alright<, der Julianne Moore und Annette Bening als Paar zeigt, das Kinder hat, von einer lesbischen Autorin? Julianne Moores Liebesszene mit dem Kindsvater deutet eher nicht darauf hin. Ihr Schauspiel war klasse. Welche deutsche Frau hat sich nie in ein Getto sperren lassen? Welche Frau hat den Blick auf Frauen weltweit verändert? Welche Frau wird von Männern und Frauen gleichermaßen verehrt, geachtet und respektiert? Ich meine, es ist Jil Sander. Vielleicht habe ich Angst, dass die Älteren sterben, weil sie wirklich cosmopolitisch waren. Jil Sander könnte eine Italienerin sein, deren Großeltern in Istanbul leben. Sie könnte eine Hausfrau und Mutter sein. Sie könnte die Frau einer Frau sein, die Atomkraftwerke verkauft. Jil Sander könnte sogar sagen: Ich war ein Mann. Menschen würden sie lieben. Sie wusste selbst, dass man Träume in kreativen Berufen nur träumen kann, wenn man sich selbst zurücknimmt. Sie wandete Frauen in Hosenanzüge, in Hemden, in Cashmeremäntel. Sie wollte stolze Frauen in feinste italienische Stoffe hüllen. Jil Sander ist bis heute ein Hamburger Geheimnis. Sie ist kein Bach, kein Ufer, kein Stein. Sie ist die Quelle, die bis ins hohe Alter sprudeln wird. Ich kenne eine Berlinerin. Sie wohnt in meiner Nachbarschaft. Sie ging nach San Fransisco und sie drehte einen Film über Feuerwehrfrauen. "Some real heat" gewann nicht nur den Silbernen Bär. Er gewann sogar den Preis einer großen Frau; den Juliane-Bartel-Preis. Die Berliner Regisseurin sagt in einem Interview: "Ich zerschlage lieber Klischees, als dass ich neue aufbaue." Genau wie Jil Sander strapaziert sie den edlen Stoff nicht. Genau wie Jil Sander ist sie die Quelle - nicht der Bach. Genau wie Jil Sander ist sie eine cosmopolitische Frau. Durch die Trauerarbeit weiß ich, dass nicht ich die Gefühle anderer Menschen skripten kann. Die 185 Berufsschauspieler hätten in Deutschland auch fragen können: "Wieso spielte Maren Kroymann nie eine Stripperin, die sich in eine Frau verliebt?" - "Warum spielte Ulrike Folkerts nie eine Alkoholikerin, die ihre Freundin mit Kind verliert?" Die 185 Schauspieler von #act out - und das stört mich - wollen im Grunde genommen die besseren Heterosexuellen werden - zudem wollen sie, dass heterosexuelle Autoren sie liebevoll skripten. Das ist absurd; und damit versiegen die Quellen. Ich finde es spannend, dass Menschen im Moment an allen Rädern drehen, an allen Schrauben ziehen und darauf warten, dass sie von einem Dritten entfaltet und befreit werden. Wahrscheinlich mache ich mich mit dieser Entfaltung unbeliebt. Aber ich ziehe ein Leben in Freiheit vor.