Die zerdrückte Besinnlichkeit

Die Weihnachtszeit - im Grunde die Festtage der Liebe - sind für mich die Tage, an denen sich Geburt und Tod, Anfang und Ende, sichtbar treffen. In vielen Kirchen, auf vielen katholischen Friedhöfen ist die Krippe aufgebaut; und genau an jenem Ort finden auch die Trauerfeiern statt. Am 24. Dezember möchte kein Mensch eine Bestattung durchführen. Es ist der Heilige Abend. Es ist der Tag einer Geburt. Er soll für sich stehen. Dieser Tag soll auch Jahre später unbelastet bleiben. Es wäre fatal, wenn man einen Geburtstag mit den Gefühlen eines Trauerfalles überschattet. Die Familien, deren Mitglieder durch das Attentat am Breitscheidplatz starben, brauchen sicher viele Einfälle, viel Phantasie und viele Rituale, um einen Geburtstag nicht mit ihrem Todesfall zu verbinden. Die Polizei kontrollierte in diesem Jahr zwei auffällige Männer auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Es stellte sich heraus, dass beide Männer Salafisten sind. Vor einigen Monaten entdeckte ich in meiner WLAN Liste - unter vielen kuriosen Kennworten - das Kennwort Judenburg. Unter den vielen lustigen Kennworten wollte dieses Kennwort ein spaßiges miteinander eindeutig verderben. Spontan lege ich mir den einzigen deutschen Star auf die Ohren. Ben Beckers Stimme beruhigt mich. Er zitiert die Bibel. Er hinterfragt im Spiel den Judas. Es gibt drei Männer in Deutschland, die unheimlich gut ankommen. Der Berliner. Mario Barth füllt Hallen. Er ackert und rackert, um die Menschen am Leben zu halten. Er muss sie zum Lachen bringen. Er muss die Menschen der 80er und 90er Jahre reanimieren. Das war seine Hochzeit. Der laute Mann, der über Frauen lachen muss und über verfehlte Elfmeter weinen darf. Ein Mann, der kein Mann ist, wenn er kocht. Der Beamte. Jan Böhmermann möchte gerne ein ausgeflippt lässiger Typ sein, der mit seinem Programm aus der Rahmung fällt, weil er dem ZDF zeigen möchte, was genau Intelligenz kann. Ich hätte gerne sein Gesicht fotografiert, als die Klage von Präsident Erdogan eintraf. Sicher hat er seinen Vorgesetzten gebeten, die Kanzlerin zu kontaktieren. Die Mutti musste ihm helfen. Er ist in jeder Hinsicht zu dünn und zu klein, um die Nervenkraft eines Deniz Yücel zu überbieten. The Man. Serda Somuncu, selbsternannter Politiker, Autor, Schauspieler, Schriftsteller findet "Facebook schwul". Wie politisch! Seine Hetze versucht er stets in der Menge zu verbergen: "Jetzt bekomme ich bestimmt wieder Ärger - aber kein Hetero mag Schwule." Die AfD ist klar auf seiner Seite. Er spielt den "Hitler in mir", den "Goebbels in mir"; und in der Schweiz hetzt er über Deutsche: "Wir Türken haben die Ossis finanziert." Bei Anne Will ist er wiederum der Deutsche, der eine Kunstexpertise für Jan Böhmermann abgibt. Er hasst und hetzt wahlweise - natürlich breitbeinig. Wenn jene Menschen, die staatliche Rundfunkplätze und wichtige Bühnen belegen, obendrauf in die Politik gehen wollen, dann sollten sich Menschen große Sorgen machen. Warum habe ich eine Meinung? Weil alle Menschen, die ich frage, auch Mitarbeiter der Stadt Berlin, unisono antworten: "Wir dürfen hier keine Meinung mehr haben." Frohe Weihnachten - aus der Judenburg.