Die war doch immer so dankbar

"Das fleißige Lieschen war doch immer so dankbar. Ick verstehe das nicht. Uff eenmal blüht die nicht mehr." Während ich im Garten des Friedhofsgärtners auf einen Urnenkranz warte, lausche ich den ernsthaft besorgten Erkenntnissen einer echten Berlinerin. Ich vermute leise durch die Begonie: "Die hat wahrscheinlich auch die Faxen dicke." Das Gute vom Tage: Der städtische Friedhof Wilmersdorf räumt auf. Bei meiner heutigen Trauerfeier wurden sämtliche fremde Bestatterwerbeartikel erfolgreich beseitigt. Regenschirme, Plastikkugelschreiber, Schreibblöcke mit Bestatterwerbung haben nichts im öffentlichen Raum (meint städtische Räume) zu suchen. Danke Bezirk Wilmersdorf für ein erstes Zeichen gegen den unlauteren Wettbewerb. Das nenne ich Workbalance im Wachzustand, was für die Familien zu einer Lifebalance führt. Apropos: 21 junge Menschen starben bei der Loveparade. Hunderte Menschen waren verletzt. Die Stadt Duisburg erhoffte sich volle Kassen - Berlin zog die Bremse bei 2-3 Millionen Besuchern, also einer Stadt in einer Stadt. Die Sicherheitsleute in Duisburg bekamen keine Funkgeräte mit freier Frequenz. Feuerwehr und Sanitäter bekamen keine ordentlichen Zugänge. Der Tunnel bleibt bei derart vielen Besuchern ein Nadelöhr. 21 Töchter, Söhne, Freunde, Geschwister, Enkel, Ur-Enkel starben elendig, weil jede kritische Stimme mundtot gemacht wurde. Angeklagt, wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung, waren Mitarbeiter der Stadt und Mitarbeiter des Veranstalters. Vielen Menschen war klar, dass es kein Urteil pro Familia geben wird. Die Tagesschau gab heute die superlative Meldung: "Eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit endet damit nach knapp zweieinhalb Jahren und 184 Sitzungstagen ohne ein Urteil…" Die Verhandlungen mit der Gaddafi-Stiftung nach dem La Belle Attentat, den Stammheimprozess, den NSU-Prozess könnte man große Prozesse nach dem 2. Weltkrieg nennen. Warum bitte verknüpfen Journalisten tote und verletzte Jugendliche und junge Erwachsene der Loveparade - Synonym für friedlich Feiernde - mit Krieg, also Nachkriegszeit? Das ist maßlos. Nicht vorbildlich agiert ein Staatsorgan, das tatsächlich die Pandemie als Argument nutzt, um das Verfahren komplett einzustellen. Zitat Tagesschau vom 4.5.2020: "Es begründete dies unter anderem mit zu erwartenden Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie und der absehbaren Verjährung des Tötungsvorwurfs Ende Juli." Genau hier, die Erfahrung hat es glasklar belegt, können sich Komplexe entwickeln, die ein wahrhaft pflichtbewusster Staat verhindern muss, also keinesfalls provozieren darf. Den Familien möchte ich schreiben, dass ich mit derartigen Urteilen nicht einverstanden bin, weil diese jungen Menschen nicht hätten sterben müssen! Berlin und die authentisch echten Veranstalter hatten mit dem Ende der Loveparade klares Verantwortungsbewusstsein bewiesen!