Über den Tod nachdenken

Wenn man sich in den ersten Schritten über den Tod Gedanken macht, dann sollte man ihn noch nicht persönlich nehmen. Die meisten Erwachsenen reden in der Ich-Form. So können sie schneller behaupten, dass sie mit dem Tod keine Probleme haben, eine Beerdigung unter Umständen nicht so wichtig finden. Wenn ich einen sensiblen Tag habe, bitte ich jene Erwachsene noch einmal nachzudenken. Was wäre also, wenn ein Ehemann, das eigene Kind, die eigene Schwester, der eigene Bruder stirbt? Meist mache ich mich damit unbeliebt. So ist das, wenn man direkte Fragen stellt. Aus eigener Erfahrung kann ich im Moment sagen, dass Frauen nicht besser mit dem Tod umgehen, weil sie Frauen sind. Die zarten, lieben, empathischen, fühlenden, romantischen Frauen haben sich über die Generationen entwickelt. Schwesta Ewa ist vermutlich die letzte Romantikerin in diesem Land. Kurwa komprimiert letztlich Romeo & Julia. Schwesta Ewa verstand Shakespeare, schrieb den Beef um und dampfte das Stück in ihrer Musik ein. Julia: "Die einzig Lieb aus Hass entbrannt, ich sah zu früh, den ich zu spät erkannt." Romeo:"Wen selbst noch nie eine Wunde quälte der macht sich über Narben lustig." Im Zuge der Emanzipation gingen Frauen aus der Schonung. Gedanken veränderten ihre Sprache; und ihre Sprache veränderte ihre Gefühle. Eine andere Reihenfolge gibt es leider nicht. Das finde ich gut, weil uns Gefühle nicht überrollen können. Das müssten wir vorher denken. Eines Tages starb eine langjährige Bekannte in Nepal. Ihr Tod birgt bis heute Ungereimtheiten. Sie wurde in Düsseldorf bestattet. Sie war erwachsen. Sie war sehr gebildet. Sie verletzte nie einen Menschen mit ihrem Bildungshammer. Sie war Oberstudienrätin. Sie war enorm beliebt, weil sie ein liebenswerter Mensch war. Sie hatte viele autorisierte Freundinnen - auch in Berlin. Keine Frau lud mich zur Beerdigung ein. Es war kein Akt der Rache. Dafür gab es keinen Grund. Es war ein um Jahre überholt mütterliches Hennenverhalten: Sie gehört nun uns. Wir bestimmen jetzt. Niemand nimmt sie uns weg. Wir beschützen und schonen sie jetzt. Da sie nicht ihre Mütter waren, finde ich ihr Verhalten grotesk und bis heute unverzeihlich - weil ich schlicht vergessen wurde. Über den Tod eines anderen nachdenken. In der Werkstatt für Demokratie, das die Süddeutsche Zeitung am Wochenende organisierte, traf ich einen jungen Mann. Ich nenne ihn hier Lenny. Lenny sagte freien Herzens: "Ich möchte nicht von Alten regiert werden." Später beantwortete ein EU-Parlamentarier Fragen zur NATO. Er sprach von europäischen Abzeichen auf Uniformärmeln, nicht von deutschen Abzeichen. Er wirkte leicht zerfasert. Aber auch er sprach, wie Frau Baerbock (Grüne), wie Frau Kramp-Karrenbauer, wie Frau von der Leyen in der WIR-Form: "Wir müssen mehr Verantwortung übernehmen…" Da verstand ich Lenny. Denn Alte gehen nicht in künftige Kriege. Sie schicken die Jungen in den Krieg. Mich schockiert, dass Frauen Krieg und Frieden in einem Satz verbauen - ohne rot zu werden. Hat Präsident Macron recht? Ist die NATO hirntod? Vielleicht sollten wir die Jungen vorher fragen: "Wollt Ihr für Euer Mutterland und Euer Vaterland in den Krieg marschieren? Würdet Ihr für Europa sterben?"