Wenn die Hausintelligenz stirbt

Hat man je einen Kripobeamten, einen Feuerwehrmann, eine Apothekerin, einen Klempner, eine Polizistin, einen Zahnarzt im Notdienst gefragt: "Was machen Sie eigentlich um 2:30 Uhr auf einem Balkon?" Gab es je Bestatter, die in ihrem Bestattungsinstitut wohnten? Gab es je unbemannte Bestattungsfahrzeuge? Gibt es Hausabholungen, die ohne den Einsatz von Menschen im Notdienst machbar sind? Gibt es Bestattungsinstitute, also Unternehmen, die ohne Kunden überleben? Solche Fragen kommen meist dann, wenn in Haushalten nur noch die TV-Geräte flackern. Ich will aber ehrlich sein. Ich sitze seit dreißig Jahren in meinem Geschäft, lackiere mir in der Präferenz die Nägel, öffne die Fenster, um sie trocknen zu lassen. Dabei trage ich, wie jeder 24/7-Mensch, einen Frotteeschlafanzug. Da Menschen im Notdienst, Polizisten und Kripobeamte inkludiert, keinen Dienst am Menschen leisten, laufe auch ich durch meine Räume und zähle Schäfchen, genieße ein Leben ohne Bett, Kind und Kegel. Hat man je erlebt, dass ein Rechtsanwalt, wie ein Daddy, der selbst offenkundig nicht in Erscheinung treten möchte, einen Brief für eine Busenfreundin vorformuliert, den sie nicht in die ICH-Form bringen kann? In der offenkundig fremden Charakterrolle eines männlichen Rechtsanwaltes nennt sie sich selbst die Antragsgegnerin. Müsste ich in so einem Fall wie ein Kleinkind in der analen Phase antworten: "Die Bestatterin hat ein Gewerbe. Die Bestatterin hat Kunden, Geschäftspartner und Kollegen. Die Bestatterin fügt noch etwas hinzu." Was sind dann eigentlich Charakterzeugen? Hat Sebastian Edathy einen guten Charakter? Klar. Er benutzte seinen Dienstrechner für den Kindesmissbrauch. Hatte Weinstein einen guten Charakter? Die Creme der Creme bestätigte einen guten Charakter - immer und immer wieder, bei jeder Verleihung. Auch seine Ehefrau war über Jahre begeistert. Hat der Bundeskanzler Charakter? Klar. Die Kanzlerschaft sprach sogar für einen guten Charakter. Früher war es der Ehering. Heute haben Täter Wohnungen. Wer eine Wohnung hat, der hat automatisch einen astreinen Charakter. Das Kuriose ist, dass Zeugen einen guten Charakter bescheinigen müssen. Ich persönlich bräuchte dafür keine Zeugen. Ich bin dank guter Kinderstube ein eigener Charakter geworden. Was wissen Fremde über meine Prägung, über mein Temperament? NICHTS. Mit derartig narzisstischem Stuss muss ich mich während meiner Arbeit befassen. Und hier ist klar, dass ich mich nicht mehr auf meinen Notdienst und auf meine eigentliche Arbeit konzentrieren kann. Vielleicht finden sich in der Stadt noch Menschen, die Charakterzeugen mimen, die das NICHTS einer lästigen Narzisse aufblasen, die sich parasitär, ohne jede soziale Kompetenz, in mein Geschäft inszeniert. Ist die Frage Wie viel Geld muss man ausgeben, um Leute wie sie nicht mehr treffen zu müssen? eine Einladung zur netten Kontaktaufnahme? Wünsche ich eine Kontaktaufnahme, wenn ich die Polizei mehrfach rufen muss? Wie krank muss jemand im Kopf sein, der mir heftigste Straftaten anhängen will und dann vorgibt, dass er mich stets "nett" kontaktiert. Wie gestört muss jemand sein, der Trauernde in einem Bestattungsinstitut behelligt? Wie verkorkst muss jemand sein, nachts im Nachthemd vor einem Bestattungsinstitut zu eiern? Die Pussy Riots hatten dagegen eine gigantische Hausintelligenz. Die Klima-Kleber haben meinen Dienst in der Form nie gestört. Für Dilettantismus fehlt mir einfach die Kreativität.