Sprache und Trauerkultur

Eine Sprache ist nicht wichtig, um einer Regierung zu gefallen. Sie ist nicht wichtig, um einem Leser zu gefallen. Eine Sprache ist nicht dafür gemacht, um überhaupt zu gefallen. Eine Sprache ist wichtig. Eine gewählte und gepflegte Sprache zeigt, dass sie wichtig ist. Auch eine einfache Sprache kann man wählen und pflegen. Sprache transportiert das Unsichtbare. Unsichtbar ist nicht nur ein Gefühl. Unsichtbar ist zunächst eine Meinung, eine wahre Haltung zu Geschehnissen. Unsichtbar ist heute leider die Trauer. Sie braucht eine Gesellschaft, die nichts besser weiß, die nicht punkten will, die nicht toppen will, die nicht anheizen will. Sie braucht eine souveräne Gesellschaft. Vielleicht hat die Sprache sogar etwas mit der Kleidung gemein. Vielleicht hatte Karl Lagerfeld mit der These über die Jogginghose recht. Vielleicht sprechen wir heute eine Jogginghosensprache. Die akademische Linke sprach immer eine ideologische Fremdsprache. Ihre Kleidung und ihre Frisur wirkte aufgesetzt. Diese Sprache machte sie blind. Die akademische Rechte ist eben einfach nur rechtsideologisch und kleidet sich wieder anders. Ihre Sprache machte sie ebenfalls blind. Die Mitte hat keine Ideologie mehr. Ihre Kleidung ist beliebig. Sie kultiviert die Blindheit. Das könnte der Grund dafür sein, dass Menschen heute nichts mehr sehen. Im Berufsverkehr fiel mir schon vor langer Zeit auf, dass der Renault, der Ford, der KIA und der Jeep den Autoverkehr prägen. Deutsche Journalisten sehen nur den Mercedes, den VW und den BMW. Sprache befördert Menschen in die geistige Freiheit. Und was machen sie in der Freiheit? Sie singen, sie dichten, sie komponieren. Sie denken über die Möglichkeiten nach, die Sprache eröffnet. Eine souveräne Gesellschaft könnte das aushalten, denn Sprachler verbinden sich mit dem Ding, das die Gesellschaft Welt nennt. Eine schweigende Gesellschaft bringt keine Trauerredner hervor. In den USA duellierten sich die Gründungsväter. Die Gewinner der Duelle fanden das so gut, dass sie im Jahr 1791 den 2. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten aufschrieben. Zehn Zusatzartikel ergeben die zehn Gebote der Bill of Rights. Der 1. Zusatzartikel sichert auch die Meinungsfreiheit. Die heutige Verkürzung, also das Eindampfen der Sprache liefert den kurzen Schluss für junge Amokläufer: "Ich bin der Meinung, dass ich heute Menschen in meiner Schule umballern sollte, weil sie eine Sprache lernen, die unsere Freiheit einschränkt." Eine Pressefreiheit, die Journalisten sprachlos macht, sitzt in einem Gefängnis: "Das ist der Mob. Hilfe! Wärter!" Wer hielt die wahrhaften Trauerreden für die toten Kids? Nur eine blinde deutsche Mitte schiebt den Attentäter von Hanau an den deutschen rechten Rand. Verbogene deutsche Grundrechte geben mir kein Recht. Es ist eine gelernte ganz einfache Sprache, mit der ich zum Ausdruck bringen kann, dass dieser Attentäter das Äquivalent vieler Gesellschaften ist. Ein sich in die Hosen pissendes Muttersöhnchen, sprachlich stets unterdrückt und bevormundet, griff zur Waffe - weil sich freie Männer in einer Bar trafen. Er bewundert nicht das deutsche Grundgesetz. Er bewundert jene Männer, die die Bill of Rights aufschrieben. Mächtige Kerle, die heute den Rasen ihrer Vorgärten schützen. Deutsche Mütter spielen mit ihren Söhnen Drohnenspiele und amerikanische Mütter gehen mit ihren Mädchen zum Schießstand. Es lebe die Sprache zur Pressefreiheit, die nur dann wach wirkt, wenn sie ihre eigenen rechten Geister vertreibt: "Oh Herr, führe uns nicht zum sündigen Mob." Es lebe die deutsch akademische Bedrücktheit, die sogar dann in eine gekünstelt sprachliche Ohnmacht fällt, wenn Studenten der Bosporus-Universität, eine weltweit renommierte Hochschule, gegen Hardliner demonstrieren. Journalisten nennen die bildungspolitischen Eingriffe des türkischen Präsidenten noch harmlos, als müssten sie - manisch - Vergleiche ziehen. Menschen, die sogar ausgebildet wurden, um eine sprachliche Freiheit zu verkörpern, nennen einen Eingriff in die Freiheit harmlos! Reicht den Medien Riechsalz und ein weißes Taschentuch. Legt ihnen ein Kissen unter den Kopf und legt ihre Beine hoch! Sie läuten sogar das Ende einer Jogginghosensprache ein. Eine Trauerkultur in einer blinden Gesellschaft, die sich nicht mehr kennt, die sich bis zur Grotesken verkleidet, die sich nicht mehr artikulieren kann, ist tief unten angekommen. Sie kann nur noch auf Öl stoßen, reich werden, um sich in Denver lächerlich zu machen.