Der Kampf geht weiter

Die Angst vor Armut ist heute größer als die Angst vor Corona. Höchstwahrscheinlich ist das der Grund dafür, dass viele Menschen Corona ignorierten, die Gruppe suchten, die Menge suchten, mit dem Argument: "ICH bin nicht so zimperlich in Sachen Corona." Eine ähnliche Tendenz gab es im Umgang mit AIDS auch. Selbst meine Großmutter spielte einen auffälligen Leberfleck herunter. Sie wollte nicht, dass Ärzte an ihr herumschnippelten. Sie hatte Glück. Es war kein Hautkrebs. Wer heute denkt, dass der Lockdown ab Mittwoch keine Zusammenbrüche verursachen wird, der redet sich seine eigene heile Welt zurecht; das macht der Coronaleugner auch. Ich las eine absurde Anzeige, die mich auf steigende häusliche Gewalt sensibilisieren soll. Der Anzeigenkunde gibt zunächst zu, dass ein Lockdown Gewaltbereitschaft erhöhen wird. Er tut im Grunde nichts, um mich zu sensibilisieren. Er redet mir nur sein heiles Weltbild ein. Er unterstellt, dass ich durch Wände sehen kann. Konnte auch nur ein Mensch durch die dicken Mauern jener katholischen Etablissements sehen, die aus Kindern Sündenböcke machten, um sexualisierte Gewalt zu rechtfertigen? Hat ein Katholik - vor Corona - die hohen Mauern überwinden wollen? Oder wollte er nie sehen - einfach nur ungestört glauben? Große und kleine Menschen nehmen an dem Ort Platz, der ihnen zugewiesen wird. Wie fürchtet sich ein Kind? Wie fürchten sich Erwachsene? Wie fürchten sich Religiöse? Wie fürchten sich Journalisten, Polizisten, Politiker, Richter, Arbeiter, Stars und Sternchen? Ich denke, sie fürchten sich alle vor einer Verbannung. Menschen fürchten immer einen Abstieg in eine inszeniert modrige Dunkelheit. Sie fürchten den Verlust ihres ihnen zugewiesenen Platzes. Warum ändern sie ihren Platz nicht? Weil sie glauben! Sie glauben: "Das ist mein mir zugewiesener Platz. Er gehört jetzt mir. Hier gehöre ich hin. Ich muss diesen Platz verteidigen. So schlimm ist es hier nicht." Wenn man einer Angestellten oder einer Arbeiterin heute sagen würde >Gewalt an Frauen ist eine Klassenfrage!<, dann würde sie laut lachen, abwinken und nur den Kopf schütteln. Sie glaubt an den Platz, den man ihr zugewiesen hat. Sie glaubt an ihren Arbeitgeber. Schließlich bezahlt er sie für ihre Arbeit. Herablassende Parolen muss sie als Kränkung empfinden, denn sie kommen immer von jenen Menschen, die ihr den Platz, auch in einem gänzlich anderen Sprachraum, zugewiesen haben. Kämpfen Menschen gegen Corona? Nein. Wie auch? Menschen kämpfen um einen Status und um zugewiesene Plätze. DAS könnte böse ins Auge gehen.