Die kranke Lust am Tod
08/11/25
Auf einem großen Kundenparkplatz in Schöneberg fängt ein parkendes Auto Feuer. Qualm und Flammen schlagen aus der Motorhaube. Jene Gesellschaft, die eine perverse Lust am Tod, an der Katastrophe hat, versammelt sich. Es ist ein immer gleicher Cocktail: Die Hysterische, viel zu weit entfernt, kreischt und schreit. Sie selbst möchte im Mittelpunkt stehen, deshalb bewegt sie sich nicht. Der Ohnmachtsanfall gelingt ihr nicht. Der Voyeur, der sein Handy zückt und filmt. Er wartet, bis die Flammen höher schlagen. Der Wissenschaftler, der das Fahrzeug analysiert. Er bleibt bei seiner Spekulation über ein E-Fahrzeug hängen. Das kleine Grüppchen. Drei Männer trinken Kaffee und lassen sich von Flammen nicht vertreiben. Sie waren die Ersten am Platz - und erst dann kam der Brand. Die Betroffenen. Sie wollen nicht zusehen, drosseln aber das Tempo. Sie verwerfen ihren Weg selbst und geraten ins Stolpern. Der verkommene Spiegelfechter. Er weiß, dass der Halter das geplant hat, um die Versicherung zu betrügen. Sie machen das alle nur, weil…Sie standen da nur, weil….Sie haben nur was sehen wollen, weil…Eigentlich waren sie nie interessiert. Die Haube brennt, die Hitze biegt die Front, der Lack vergiftet die Luft. Der Vorderreifen auf der Fahrerseite explodiert, dann explodiert der Reifen auf der Beifahrerseite. Schwarzer Rauch breitet sich aus. Die Luft reichert sich mit Giften an. Mein guter Freund und ich springen in sein Werkstattauto. Wir maskieren uns mit Tüchern. Dann rennen wir, wie bewaffnete Räuber, durch die Autoreihen. Er trägt einen Kuhfuß. Ich trage einen Hammer. Unsere schnelle Bewegung irritiert jene Menschen auf dem Platz, die ein verschlingendes Inferno ersehnen, die brennende Menschen sehen möchten, die wie schreiende Fackeln über den Platz taumeln. Sie vermuten, wir wären ein kranker zweiter Strang in ihrem abartigen Heimatfilm. Tatsächlich entlarven wir nur ihre Morbidität, die eingesperrte Tiere gnadenlos tötet. Die lauten Sirenen der Polizei und die lauten Sirenen der Feuerwehr stören die Morbiden in ihrer Dunkelheit. Plötzlich bewegen sie sich. Sie spielen wach zivilisiert und kultiviert. Tatsächlich sind sie verbittert darüber, dass es die Polizei und die Feuerwehr gibt. In ihrem Dasein gibt es keine Helden. Es gibt nur ihre kranke Lust am Tod. Die Polizei zieht sofort den Stecker. Man kann das Kuschen der Morbiden förmlich hören. Der Platz gehört ihnen nicht. Es war nicht ihre Szenerie; und sie führten zu keiner Zeit Regie. Sie standen auf einem Parkplatz, weil ein Auto brannte. Das ist keine Geschichte, aber Morbide wissen um ihre Grundrechte; sie sind Teil jener Demokratie, die sie auf eine perverse Art und Weise anzünden möchten. Irgendwo -zwischen Berliner Bankenkrise und Sarrazin, zwischen Dotcom-Blase und Medien, zwischen Lehman Brothers und Bankenrettung, zwischen Schneider und Benko, zwischen Cum-Ex und Scholz, zwischen Wirecard und Merkel - stehen sie an einem abgefressenen Buffet. Sie warten. Sie warten auf Kellner, die die Tische neu eindecken. Sie warten im Grunde auf jene Schauspieler, die sie über den Tisch gezogen haben. Sie warten nicht auf die Wahrheit. Sie warten auch nicht auf die Polizei. Sie warten auf eine zweite Chance in einem Spiel, das sie immer und immer und immer wieder verlieren werden. Morbide wollen nicht gewinnen. Sie wollen, dass alle verlieren!