Sorgen

Menschen machen sich Sorgen. Das kenne ich aus meinem Beruf natürlich nur zu gut. Wie geht es ohne einen Menschen weiter? Wird mein Gehalt reichen, die gemeinsame Wohnung finanzieren zu können? Wie geht mein Leben weiter? Geht mein Leben überhaupt weiter? Werde ich in Zukunft allein bleiben müssen? Wo soll ich jetzt hin? Darf ich in meiner Firma im Trauerfall fehlen - oder werde ich gekündigt? Kann mich überhaupt ein Kollege in meinem Spezialbereich vertreten? Wie lange dürfen die Kinder in der Schule fehlen? Zahlt die Lebensversicherung bei Suizid? Kann ich den gebuchten Urlaub problemlos stornieren? Wann kommen die Sterbeurkunden? Sorgen über Sorgen, die auf Nachfrage verdeckt werden: Nein, nein. Es geht schon. Alles okay! Die Sorgen und Nöte steigen, wenn die ärztliche Versorgung nicht funktionierte, wenn die Polizeiarbeit nicht funktionierte. Warum hat mich die Polizei nicht ermitteln können? Warum liefen Menschen durch die Wohnung, die keine Berechtigung hatten? Warum musste meine Frau, nach einer guten häuslichen Pflege, eine katastrophale Talfahrt im Krankenhaus erleben? Als Bestatterin muss ich mir also auch Sorgen machen. Und so beobachte ich Wirtschaft und Politik. Ohne jeden Zweifel rutschen die Krankenhäuser ab. Das liegt an der fehlenden Personalpflege, an akutem Personalmangel durch Profitdenken, an unverständlich härteren Arbeitsverträgen, an frustrierenden Methoden, die sich ein Management ausdenkt. Ich gehe gerne durch die Küchen großer Häuser. Das mache ich in Hotels auch immer gerne. Angesehene Köche sind glückliche Zauberer, von denen man viel lernen kann. Zudem sind die Küchen der Welt äußerst heilsame Räume. Die Foodfilme auf Youtube sind toll - auch für Youtube. Es braucht nur Menschen in Deutschland, die das in der zweiten Meile irgendwann servieren. Ich lerne den Küchenchef eines großen Krankenhauses kennen - glücklicherweise in seiner häuslichen Küche. Seine Arbeit im Krankenhaus frustriert ihn über die Maße. Er schüttet sein Herz aus. Die Krankenhausleitung "rechnete" und honoriert die Küche mit 5 € pro Tag/pro Patient. Für 5 € kredenzt er täglich jedem Patienten (krank, schwach) ein Frühstück, ein Mittagessen, eine Kuchenzeit, ein Abendbrot und Obst. Auf Krankenhausstationen sieht man nicht selten nette Damen, die Storyboards tragen und die Patienten fragen, wie sie das Essen finden. (Zum Vergleich: Ein großes Ingwerwasser kostet in angesagten Cafés 4 €.) Später treffe ich die Schwester einer Freundin. Sie arbeitet seit vielen Jahren in einer großen Klinik als Reinigungskraft. Sie hat also einen alten Arbeitsvertrag. Der gemein nachlässige Volksmund meint: Ihre Arbeit kann doch jeder machen. Sie reinigt OP-Räume. Nur durch ihr Interesse, ihre Fortbildungen, ihre Erfahrung gibt es in ihrem OP keine Bakterien. Sie ist frustriert, sie ist aber nicht dumm. Sie bekommt deutlich zu spüren, dass sie nicht mehr erwünscht ist. Sie wird häufig versetzt. Eine Taktik, nicht neu, soll das zu gute Verhältnis in einer Gruppe zerstören. Ihre Arbeitsbedingungen werden bewusst unbequemer gestaltet. Ihr alter Arbeitsvertrag läuft dem Profitdenken der Manager zuwider. Das funktioniert, weil sie keine Kollegen hat, die hinter ihr stehen. Mache ich mir Sorgen? Ja. Profis werden verlacht und verachtet. Deutschland stampft ein. Politiker setzen ausschließlich auf die Macher einer digitalen Welt, die nicht in Deutschland agieren. Aktienhandel hat ähnliche Strukturen. Das heißt konkret: Wir haben stolze Fabrikbesitzer, mit stolzen Produzierenden öffentlich verachtet und verlacht. Sie wurden politisch eingestampft. Heute stehen zum Beispiel an den Rändern Italiens dubiose Gebäude, in denen dubiose Typen Leder für Modekonzerne bearbeiten. Die Arbeiter kommen meist aus Afrika, die ihr Arbeitsmaterial selbst bezahlen müssen. Das ist das Ergebnis lausigster Politik. Die Firma Trigema hat sich gegen diesen politischen Sturm gestellt und erfährt heute einen Aufwind. Sie produziert in Deutschland und steht hinter ihren Mitarbeitern. "Der gestrige Patriarch mit dem gestrigen Tuch in der Brusttasche" scheint also ganz nett zu sein.