Kontemplation

Eine der wichtigsten Übungen in der Trauerkultur ist das Trauerjahr. Was Trauernde nicht verlieren dürfen, ist die Kontemplation. Sie fehlt der Politik, sie fehlt heute im Journalismus, sie fehlt in der Mode, in der Kunst, sie fehlt also den Menschen, die in einem System/für ein System arbeiten. Wie möchte ich mein Leben in Zukunft führen? Wo möchte ich hin? Wer soll mich begleiten? Wer darf mir helfen? Wann brauche ich meine Ruhe? Wann möchte ich mich wo dynamisch entfalten? Was möchte ich nicht mehr in meinem Leben haben? Wie möchte ich mich und andere Menschen behandeln? Dafür braucht man sicher ein volles Jahr, um das Ausgedachte zu praktizieren. Man kann sein Trauerjahr äußerst unesoterisch, undramatisch, unkompliziert und ohne große Ankündigungen starten. Weiter so führt in die Sackgasse. In der Politik und im Journalismus ist das deutlich zu erkennen. Für wen schreiben Leitmedien, da sie über die US-Wahlen wie über ein Autorennen schreiben? Herr Bloomberg hat viel Geld. Er startet ein Twitter-Battle mit Herrn Trump. Er kauft für Millionen Dollar Werbeminuten beim Super Bowl. Er startet Youtube-Kampagnen. Er bezahlt die besten Wahlhelfer. Die ärmeren Demokraten verbünden sich gegen Trump. Aber Bloomberg…der hat das Geld. Was soll ich in Deutschland mit so einer Nachricht machen? Nachsprechen? Journalisten haben sich die Börsensprache angewöhnt. Sie wissen nichts über Programme oder Wahlinhalte. Sie beschreiben nicht einmal mehr die Personen, die sich einer Wahl stellen. Hat Herr Bloomberg tolle Eigenschaften? Hat er Politik studiert? Wer sind die Frauen, die sich für die US-Wahlen aufstellten? Sind sie arm aber unheimlich intelligent? Kommen sie an Michelle Obama heran? Ohne Kontemplation, die heute enorm wichtig ist, scheitert Journalismus. Gescheiterte werden meist ausgelacht, wenn sie nicht in die Kontemplation gehen. Eine große deutsche Bank, die internationale Geschäfte macht, die auf dem Börsenparkett lebt, die die Welt politisch gestalten möchte, die durch gute Verkäufer und Händler nie in Erklärungsnot gerät, erkennt eine internationale Sterbeurkunde, gesiegelt von Mitarbeitern der Bundesrepublik Deutschland, nicht an. Sie können den Unterschied zwischen einer internationalen Urkunde und einer deutschen Sterbeurkunde nicht erkennen. Das Problem für eine Weltbank ist die Tatsache, dass eine internationale Sterbeurkunde sogar mehrsprachig den Tod eines Menschen dokumentiert. Durch Kontemplation würde der Mitarbeiter lernen, dass es nicht um gewohnte Überschriften geht. Es geht um den Inhalt, also um die Dokumentation eines Trauerfalles. Die Großen, die Lauten, die Starken, die Mächtigen stürzen im Ansehen durch schlichte Vorgänge. Die Glaubwürdigkeit der Globalplayer scheitert simple. Kleine Betriebe müssen sich fragen, ob sie weiter für Konzerne arbeiten wollen. Wollen Handwerkermeister Angestellte großer Konzerne werden, um Konzerne erstarken zu lassen? War das ihr Plan? Haben Sie dafür viel Geld in ihre Meisterprüfung investiert? War es der Plan der Handwerkskammer, unendlich viele und damit bewegliche Handwerksbetriebe in ein "Angestelltendasein" der Konzerne zu verschieben? Kontemplation. Endverbrauchern fehlt sie ganz klar, denn sie geben unhinterfragt für den Kinobesuch 50 Euro aus und für eine Kommode 149 Euro. Die gesamte Elite entzieht den machtlosen Menschen die Kontemplation ganz bewusst. Verleger, wie Herr Götz Kubitschek, reden von "Rohrbrüchen", die behoben werden müssen. Er gibt den einfachen Handwerker, baut aber genau auf deren Kosten in politisch aktiven Gilden jene akademischen Eliten auf, die dem Ruf der Arbeiter und Handwerker wieder schaden werden. Kontemplation. Wohin möchten Arbeiter und Handwerker aus eigener Kraft kommen? Wann müssen sie ruhen? Wer möchten sie sein? Wie viel Geld möchten sie verdienen? Welches Ansehen würden sie gerne genießen?