Aus den Augen einer Bestatterin

Einige Deutsche ziehen aufs Land, in beschauliche Dörfer. Ich denke: "Oh, wie schön. Das Landleben wird reanimiert. Die Landluft ist sicher wunderbar." Besonders die Stadtkinder ziehen ihr Wissen bereits aus Bilderbüchern. Die Kuh macht muh, das Schaf macht mäh, der Hahn macht kikeriki, der Traktor macht brummbrumm. Neu ist es zu nennen, dass Landmenschen plötzlich mit Klagen überhäuft werden. Neue Wohner und Wohnerinnen missbrauchen über fragwürdige Anwälte das Bundesimmissionsschutzgesetz. Die Schafe blöken zu laut. Die Hähne krähen zu oft. Der Landwirt fährt - man sollte es kaum glauben - seinen Traktor über Landstraßen und über sein Feld, das er bestellen muss. Gerichte in Deutschland übernehmen also Krankhaftes! Sie lehnen diese Fälle nicht ab. Europäer, auch in Berlin, lachen sich kaputt. Deutsche Gerichte verstärken also Emmissionen von neuen Wohnern und Wohnerinnen. Wie muss man sich einen Juristen, im Auftritt sicher ein Staranwalt, vorstellen: "Die Besitzer der Schafe, Kühe und Hühner sind nicht Geschäftsfähige, nicht Prozessfähige. Die Tiere müssen nicht draußen ihre perversen, unerträglichen Rufe ausstoßen. Nach Bundesimmisionsschutzgesetz müssen meine Mandanten keine Nachweise erbringen. Meine Mandanten schlafen bei offenem Fenster. Auch im Winter ist es immer einen Spalt offen. Zeugen haben wir auch dafür, die bestätigen können, dass das Schaf des Nachbarn laut blökt. Die Beklagten setzen ihre Hühner sogar extra auf das vordere Feld, um meine Mandanten zu schikanieren. Die Landwirte sind so eigentümlich aggressiv und respektlos." Die ehrenwerten Gerichte sind sicher beeindruckt von diesen juristischen Finessen. Vor Gericht sitzt eine Klägerin mit schlecht lackierten Krallen. Sie bekundet Fotos. Sie hat Fotos, die Geräusche machen. Die Richter sind sicher beeindruckt, von dieser kommissarischen Arbeit. Sie denken sich: "Ich war lange auf Akademien; und nun endlich kann ich einen Schafsfall übernehmen. Mein Urteil wird das Land verändern, das mir mein Studium finanzierte." Sind derartige Kläger gesund? Nein. Sind derartige Juristen seriös? Nein. Sind Zeugen für derartige Fälle gesund? Nein. Sind derartige Fälle von Bedeutung? Nein. Diese Sorte Kläger sind Dauerbetreute und deren "Anwälte" sind im Kern ihre bestellten Betreuer. Ich kann reinen Herzens für alle meine Hinterbliebenen schreiben, dass sie 500 blökende Schafe vor ihrer Haustür abgöttisch lieben würden, könnten sie dadurch ihren Verstorbenen zurück ins Leben verwandeln. Wer gegen ein Ki-ke-ri-ki klagt, wer gegen das Muh einer Kuh klagt, der verpestet die gute Luft mit seiner psychischen Krankheit, die man nicht näher analysieren muss. Wenn Richter und Richterinnen derartige Fälle in ihren Gerichtsräumen zulassen, dann wird das deutsche Rechtssystem, von innen heraus, demontiert. Es lebe Michel de Montaigne, der philosophische Reisende, der Land, Luft, Mensch und Tier beschrieb.