Die öffentliche Diffamierung der Toten

In Amerika ist es offenkundig sehr wichtig, Tote zu diffamieren. Die Zurschaustellung toter Feinde scheint in Amerika eine lange Tradition zu haben. Sie ist kein Ergebnis des Attentates vom 11. September 2001. Das Aufhängen an Bäumen und das öffentliche Verbrennen afroamerikanischer Männer und Frauen reicht bis ins Jahr 1940. Im vereinten Deutschland war es absurderweise wichtig Erich Honecker im Sarg zu fotografieren. Es geht um die Diffamierung, die keine Zweifel duldet: Das ist unser Feind. Im Gedächtnis aller Menschen spielt der Grad der Feindschaft dann keine Rolle mehr. Warum auch? Osama bin Laden ist unser Feind, Erich Honecker ist unser Feind, Afroamerikaner sind unsere Feinde, Juden sind unsere Feinde. Homosexuelle haben meist zu schöne Gräber und Särge. Wie gut, dass der Herr Moshammer von einem Kurden aus dem Irak ermordet wurde. Mosi war nicht etwa tolerant und lebenslustig - wie so viele Männer seiner Generation. Die Öffentlichkeit muss wissen, dass der Mörder, ein Kurde aus dem Irak, nur deshalb Probleme im Gefängnis hat, weil alle um den sexuellen Kontakt wissen. Der Sohn von Romy Schneider wurde deshalb im Sarg fotografiert, weil die Öffentlichkeit wissen sollte: "Seht genau her! Das ist die Strafe für eine Sissy, die nach Frankreich geht, um halbnackt mit Alain Delon am Pool zu liegen…obendrauf auch noch Preise dafür bekommt. Verräterin." Das Grab von Marlene Dietrich wurde oft verwüstet. Sie war eine Hochverräterin fürs Vaterland. Heute veröffentlichte DIE WELT einen ketzerischen Artikel. Der zahnlose Schreiberling deckt darin einen großen Krimi auf: Es gibt einen Menschen, der weiß, wer der wahre Vater von Harry ist. Lady Diana starb im Jahr 1997. Sie war die erste Frau des Königshauses, die an AIDS erkrankte Menschen besuchte. Diese unendliche Dimension des Zuspruches, in einer Zeit der Ketzer, die über eine Schwulenseuche schrieben und sprachen, kann der zahnlose Journalist der WELT nicht ansatzweise erkennen. Er kritzelt seine Story nieder, um eine Frau zu diffamieren, die Herzen eroberte, ohne es darauf anzulegen. Er schreibt im Grunde und im Kern seiner kleinkarierten Niedertracht: "Seht her. Diana war eben doch nur eine weltliche Schlampe, die Königshäuser beschmutzte, die sich um Schwule kümmerte." Menschen in Deutschland dürfen derartiges Gedankengut, das sich durch Familien ziehen kann, nicht annehmen. Es ist das pure Gift derer, die keine Geschichten erzählen können!