Grenzen

Die Kehrseite der Transparenz ist, dass sich Grenzen auflösen, weil Menschen durch Informationen und Geräte geflutet werden. Die Empathiefähigkeit sinkt logischerweise; und allmählich autorisieren Menschen sich selbst. Jeder darf alles. Der Preis wird die Autonomie sein. Eine Philosophin ist Trauerrednerin, bestellt ein Filmteam, das bei "meiner" Bestattung filmen soll. Sie will meine Hinterbliebenen dazu überreden. Eine Bestatterin erklärt einem städtischen Friedhofsangestellten, dass sie vor jeder Bestattung tanzt, weil sie im Grunde Künstlerin ist. Ein Journalist sorgt plötzlich dafür, Schleuser für eine deutsche IS Terroristin zu vermitteln, die "Revolution machen wollte". Ein anderer Reporter dokumentiert die Flucht eines Syrers. Bei der Ankunft umarmen sich beide. Die ZAPP Moderatorin, die darüber berichtet, verändert ihre Tonlage immer an den heikelsten Punkten - die hochbezahlte Journalistin fällt ins Mutterstadium. Der ehemalige Bürgermeister von Berlin (K. Wowereit/SPD) feiert sich durch die Regierungszeit. Sein eigenes Personal interessiert ihn plötzlich nicht mehr. Er zersägt den öffentlichen Stamm, bildet keine Nachfolger aus. Seine Mitarbeiter fühlen sich bis heute verhöhnt. Er wirft den Ruf der Gay Community um Jahre zurück. Ein Bürgermeister in Adidas-Jacke, mit dem Aufdruck "Die Mutti von's Janze", Dauergast bei der Fashionweek, ruft die vernachlässigte Feuerwehr, weil die Matratze brennt, verkauft die Stadt und schreddert den Flughafen. Eltern, immer in größter Sorge um das zarte Seelenleben ihrer Kinder, stellen den Koran und Mein Kampf ins Schulregal. Lehrer verlassen die Stadt, über Jahre verhöhnt, durch Besserwisser, durch kultivierte Respektlosigkeit. Eltern sind im Grunde Lehrer und deshalb entstehen Brennpunktschulen. Kinder demonstrieren. Die Flut in den Flimmerkisten schwemmt sie auf die Straßen. Sie schwänzen die Brennpunktschulen. Eine Richterin spricht mir meine Geschäftsfähigkeit ab, weil ich die Grenzen in meinem Beruf kenne und erhalte. Ein anderer Richter gibt mir meine Geschäftsfähigkeit zurück. Dr. Middelhoff kommt aus dem Gefängnis und wird hofiert. Kriminell ist er nicht, darum wird er auch von einer Universität eingeladen. Ein Professor schlägt den Titel Von Himmel zu Himmel vor. Hilfe! Bin ich an meiner Grenze des guten Geschmacks etwa rechts, weil ich Menschen daran erinnere, dass sie sich in der Transparenz selbst aufdecken? Bin ich etwa geschäftsfähig, wenn ich meine Kunden umarme und für sie tanze? Sollte ich in einer Adidas-Jacke zu den Standesämtern, zu den städtischen Friedhöfen fahren und über meine Frisur reden? An der Grenze des guten Geschmacks gibt es kein Vergessen. Das Internet hält die Gegenwart fest; es verschiebt tatsächliche Zukunft. Die ständig aktiven Verstärker zerstören den Planeten, den sie retten wollen. Die Zukunft liegt immer in weiter Ferne.