Visionen

Ich liebe Geschichten, die am Ende beginnen und bis zum Anfang erzählt werden. Ich glaube, dass Friedhöfe, als Ort für das Ende eines irdischen Lebens, monumentale Bibliotheken sind, die Geschichten erzählen - nicht nur über Menschen. Sie erzählen etwas über eine Stadt, über Veränderungen, über Prioritäten, über Familien, Namen, Geburtstage. Wie schön wäre es, wenn man Orte in der Stadt finden könnte, die mit Liebe und Hingabe gepflegt werden? Wie schön wäre es, plötzlich einen Gärtner zu treffen, der im Laufe des Gesprächs zu erkennen gibt, dass er ein Pfarrer ist? Wie schön wäre es, an einem Ort Ruhe zu finden, Eichhörnchen und Füchse und Vögel zu beobachten und den Geruch von frischer Erde zu genießen? Wie schön wäre es, glückliche Gärtner zu beobachten, die Pflanzen schneiden, mit Nahrung versorgen und wässern? Wie schön wäre der Anblick, wenn Sonnenstrahlen durch frische und gesunde Blätter fallen? Wäre es nicht wunderbar, Restaurateure bei der Arbeit zu beobachten und zu erkennen, dass sie ihr Handwerk durch und durch gelernt haben? Wäre es nicht wunderbar, Maler dabei zu beobachten, die Kapellen sanieren? Ich bin enttäuscht, dass die Institution Kirche das Kaputtsparen der Stadt nachahmt. Wenn ich die Chefin der evangelischen Kirche wäre, dann würde ich zunächst nachdenken, wahrscheinlich mit Gott sprechen: "Mein Unternehmen läuft steuerfrei. Jährlich fließen nicht nur die Kirchensteuern in meine Kassen. Keine Richterin kann mir etwas anhaben. Das Finanzamt spurt ohne lästige Anfragen - auch bei gesetzwidrigen Pfändungen…Soll ich das viele Geld für Gärtner ausgeben, für Personal in Büros, für Azubis, für Träger, die Urnen und Särge tragen; kleide ich sie edel ein? Müssen sie glücklich sein, damit die Stadt lernt, wie man Arbeit belohnt und was man durch gelernte Arbeit sehen kann? Sollte ich Kräuter und Obstbäume pflanzen, damit traurige Gäste wenigstens Früchte pflücken können? Soll ich Geld an Save the children spenden; und wie Michelle Obama meine kostbaren Häuser öffnen? Soll ich mit Kindern spielen? Gemüse in Höfen anpflanzen, wie Hildegard von Bingen?" Gott würde sagen: "Babe. Das ist eine sensationelle Idee. Mach das!" Tatsächlich sparte die Kirche 12 Millionen Euro Personalkosten ein. Tatsächlich müssen nicht selten die Friedhofsmitarbeiter handwerkliche Tätigkeiten übernehmen, gärtnern, gruften, Trauernden Gräber zeigen, einen Trauerzug anführen. Tatsächlich kommen über das Jobcenter Bewerbungen von Menschen, die immer Knieschäden oder Rückenschäden haben. Das Jobcenter wird doch wohl nicht Zahlen "bereinigen" wollen, um "Erfolge" aufzuzeigen? Kürzlich sah ich eine riesige Botschaft an der Fassade einer Kirche: Rassismus tötet die Seele. Sind Pfarrer glückliche Pfarrer? Wie fühlt man sich an einem Ort der Seelen, wenn die eigene Kirche das Personal genau dort, auf Friedhöfen, ausdünnt? Outsourcing - ausgerechnet an DEM Ort, an dem Menschen Seelenfrieden dringend finden müssen, an dem die Seelen der Toten ihren Frieden dringend finden müssen. Wie fühlt sich ein Pfarrer, der so eine Botschaft an seine Hauswand heftet? Glücklich? Richtig? Wurde versehentlich Gott ebenfalls outgesourced? Das wäre ein Skandal. Wenn das Finanzamt davon Wind bekäme….nicht auszudenken welche wenn-dann-Formulare ins Haus der Kirchenvertreter flatterten, um endlich an das Geld zu kommen: "Ist Gott Inhaber Ihres Unternehmens? Vermietet Gott Ihre Immobilien? Haben Sie sich davon überzeugt, dass es Gott gibt? Wo genau ist der Hauptfirmensitz Gottes?" Dann wäre endgültig Schluss mit dem Paradies. Räumung. Sanierung. Teuer vermieten.